Critical Mass Hannover

Die Verkehrspolitik in Hannover setzt trotz Klimawandel und Luftverschmutzung weiter ungebremst aufs Autofahren, beseitigt lieber die Parkplatznot als die Atemnot und widmet immer mehr Fläche dem Kraftverkehr, statt die überfällige Verkehrswende in Angriff zu nehmen. Per Rad setzen wir ein Zeichen gegen Lärm, giftige Abgase und Platzmangel, zeigen, wie menschen- und umweltgerechte Mobilität funktioniert, und haben Spaß dabei! Um 18.30 Uhr am letzten Freitag jedes Monats, Treffpunkt Klagesmarkt.

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Linker Aktionismus

Hannover hat selbst relativ großzügigen Radwegen wie diesem in der Lindemannallee die Freigabe für die linksseitige Benutzung entzogen.

Angeblich ist „die Bürokratie“ schuld: Hannover hebt auf diversen Radwegen den Zweirichtungsverkehr auf. Nach Ansicht von CM-Teilnehmer Gunter schiebt die Stadt einen Erlass des Landes Niedersachsen aber nur vor und lenkt davon ab, dass die hiesigen Radwege oft nicht einmal die grundsätzlichen Anforderungen erfüllen, egal in welcher Richtung:

Hannover hat wenige Fahrrad-Superlative zu bieten, aber es dürfte zumindest die „Hauptstadt des linksseitigen Radverkehrs“ sein. Während beispielsweise in Münster das Radeln links der Fahrbahn aus gutem Grund seit jeher verpönt ist und unsere holländischen Nachbarn echte Zweirichtungsradwege bauen, hängen in Hannover zahllose Schilder mit einer Freigabe für den linken Radverkehr an ganz normalen – also knapp bemessenen und schlecht geführten – Radwegen.

Radfahren ist aber links nachweislich besonders gefährlich. Die VwV-StVO lässt es daher nur im Ausnahmefall zu, zum Beispiel um gefährliche Querungen zu vermeiden, und bindet es vor allem an besondere Sicherungsmaßnahmen, beispielsweise an Warnungen anderer Verkehrsteilnehmer oder an den Bau sicherer Querungsstellen. Hannover unterschreitet oft jedoch sogar die notwendigen und verbindlich vorgeschriebenen Mindestmaße für Zweirichtungsradwege. Und eine sichere Führung und Signalisierung des linksseitigen Radverkehrs an Kreuzungen fehlt meistens ganz. Radfahrer werden oft einfach sich selbst überlassen oder können sich nicht einmal vorschriftmäßig verhalten.

Hannover komplimentiert (oder zwingt sogar) Radfahrer also in meist rechtswidriger Weise auf gefährliche Zweirichtungsradwege. Und die linksseitige Freigabe ungeeigneter Wege gefährdet die Radfahrer nicht nur unmittelbar, sondern erzieht sie praktisch zu gewohnheitsmäßigen Geisterradlern, die selbst dort auf der falschen Seite radeln, wo es gar nicht gestattet ist.

Landes-Erlass als Begründung vorgeschoben

Mit dem Hinweis auf einen Erlass des Landes aus dem Jahr 2016 versucht sich die Stadt jetzt aus ihrer Mitverantwortung für die chaotischen Verhältnisse sowie für schwerste Unfälle zu ziehen. Er ist zwar leider nicht im Wortlaut veröffentlicht. Mit dem Rückbau von Zweirichtungsradwegen dürfte der Erlass aber kaum etwas zu tun haben. Er behandelt meines Wissens lediglich die Kennzeichnung linksseitiger Radwege und insbesondere die Frage, ob eine Benutzungspflicht auf beiden Fahrbahnseiten zugleich regelkonform sein kann.

Offensichtlich braucht man bei der Stadt Hannover jetzt aber einen Sündenbock, um von eigenen Fehlern abzulenken. Offensichtlich bekommt man die Radverkehrsführungen links nicht mehr auf vorschriftsmäßige Weise hin und sieht sich jetzt zunehmend mit Klagen vor dem Verwaltungsgericht konfrontiert. Die Stadt Hannover muss sich vorwerfen lassen, gegen elementare und verbindliche Sicherheitsvorschriften zu verstoßen und folglich für zahlreiche – auch tödliche – Unfälle mitverantwortlich zu sein. Das Freigeben gefährlicher linksseitiger Radwege ist unabhängig von ihrer Kennzeichnung schlicht unzulässig und sogar strafrechtlich relevant! Der Stadt wird das nach den ersten Klagen jetzt offenbar allmählich bewusst.

Benutzungspflicht statt guter Radwege

Ferner versucht Hannover auf diese Weise wohl auch krampfhaft an der Radwegbenutzungspflicht festzuhalten, die seit der 1998 in Kraft getretenen StVO mit der „Radverkehrsnovelle“ eigentlich Geschichte ist. Der Erlass ist überhaupt nur deshalb notwendig geworden, weil sich Städte wie Hannover seitdem (seit über 20 Jahren!) beharrlich weigern, Recht und Ordnung endlich umzusetzen. Stattdessen setzen sie auf ein laut der StVO unzulässiges „lokales Recht“ und propagieren ihre eigenen Bastellösungen für den Radverkehr nach dem Motto: „Was übrig bleibt vom Straßenraum, sollen sich Radfahrer und Fußgänger teilen – wie auch immer!“

Die Anordnung einer Benutzungspflicht auf linksseitigen Radverkehrsanlagen ist innerorts laut VwV-StVO sogar explizit ausgeschlossen. Dazu braucht es keinen Erlass des Landes. Genau um die Benutzungspflicht geht es der Stadt Hannover aber offensichtlich. Sie will um jeden Preis die Fahrbahnen vom Radverkehr freihalten. Dabei steht natürlich nicht dessen Sicherheit im Fokus, sondern ausschließlich die „Leichtigkeit“ des Kfz-Verkehrs. Der Stadt Hannover ist offensichtlich bewusst, dass bereits wenige Radfahrer auf der Fahrbahn zur Entschleunigung des Verkehrs beitragen. Das passt nicht ins Verkehrskonzept der Stadt Hannover, das den Kraftverkehr unter dem Vorwand angeblich geringer Emissionen zügiger gestalten will und dafür viel Geld ausgibt.

Radverkehr nicht mehr im Griff

Der Erlass des Landes schränkt die Freigabe linksseitiger Radverkehrsanlagen jedenfalls nicht ein. Wollte die Stadt Hannover also – wie von ihr behauptet – tatsächlich an der Führung des Radverkehrs auf beiden Fahrbahnseiten in eine Fahrtrichtung festhalten wollen, kann sie den linken Radweg einfach mit dem alleinstehenden Zusatzzeichen „Radfahrer frei“ freigeben. So sieht es die VwV-StVO ausdrücklich vor und an einigen Stellen ist diese Lösung tatsächlich schon zu beobachten. Dabei gilt der Radweg dann selbst faktisch als vom Zusatzzeichen erläutertes Verkehrszeichen. Auf der rechten Fahrbahnseite ist gar kein Zeichen notwendig, denn Radwege sind ja rechts grundsätzlich für den Radverkehr benutzbar. Allerdings müsste die Stadt Hannover dann die Sicherheitsvorschriften der VwV-StVO einhalten und die Radwege endlich für den Zweirichtungsverkehr ertüchtigen.

Die Stadt Hannover muss sich vorwerfen lassen, wohl vor allem deshalb linksseitige Radverkehrsanlagen zu beseitigen, weil sie den dortigen Radverkehr nicht mehr ohne bauliche Veränderungen in den Griff bekommt und auch noch unbedingt an meistens sowieso rechtswidrigen Radwegebenutzungspflichten festhalten will. Mit Verkehrssicherheit hat das nichts zu tun.

Verständlicherweise empört sich der ADFC über die Beseitigung etlicher Zweirichtungsradwege. Immerhin haben sich die Radfahrer ja über Jahrzehnte hinweg an die „lokalen Regelungen“ der Stadt Hannover gewöhnt. Die Radverkehrsführung gerade an den großen Kreuzungen, etwa dem Aegi, dem Königsworther Platz oder dem Knotenpunkt Lavesallee/Friedrichswall (Friederikenplatz) basiert faktisch auf linksseitigem Radverkehr.

ADFC in der Mitverantwortung

Allerdings muss sich gerade der lokale ADFC auch vorwerfen lassen, seit Jahrzehnten das eindeutig rechtswidrige und gefährdende Vorgehen der Stadt Hannover gedeckt und mitgetragen zu haben. Insofern ist der Fahrradclub für die chaotischen Verhältnisse zumindest mitverantwortlich. Ich sehe daher auch den ADFC in der Pflicht, sich endlich konsequent für ordnungsgemäße und sichere Radverkehrsanlagen einzusetzen. Wenn er es ernst meint mit der Verkehrswende, sollte er einen konsequenten Umbau des Verkehrssystems einfordern. Dazu gehört, dass die Radverkehrsanlagen endlich wenigstens den verbindlichen Mindestanforderungen der StVO und VwV-StVO genügen. Für diese hat sich der ADFC zwar vor über 20 Jahren vehement eingesetzt, aber seitdem offenbar weggeschaut. Hannovers Politik und Verwaltung weiterhin nach Belieben an der autogerechten Stadt zulasten des Radverkehrs herumbasteln zu lassen, halte ich für untragbar.

Anstoß am Fahrradhelm

Helmverbotsschild
Dieses Schild gibt es wirklich in Deutschland, denn Fahrradhelme haben schon tödliche Verletzungen verursacht. Ihr Nutzeffekt ist dagegen kaum nachweisbar.

Einen kritischen Tweet anlässlich der Helmempfehlung des ADFC zum Radwandertag hat die Neue Presse zu einem „Streit unter Rad-Aktivisten“ aufgebauscht. Anlass genug für CM-Teilnehmer Gunter zu einer ausführlichen Begründung, warum Fahrradhelm-Werbung dem Radverkehr und der Verkehrssicherheit schadet.

Lohnt es sich, an so einem kleinen Hinweis zum Helmtragen Anstoß zu nehmen? Ich meine: Ja!

Es sind ebenso wie fremdenfeindliche Aussagen genau diese immer wiederkehrenden kleinen Bemerkungen und unhinterfragt weitergegebenen Behauptungen, die sich ins Bewusstsein der Bevölkerung einschleifen. Sie drücken eine Haltung zum Thema Verkehrssicherheit aus. Sie grenzen diejenigen aus, die oft aus gutem Grund keinen Helm tragen. Sie machen diese Menschen zu Sündenböcken. Sie vermitteln den Eindruck, Radfahrer seien selbst schuld an ihren Unfällen, zumindest aber an den Unfallfolgen, wenn sie keinen Helm tragen. Sie halten vom Radfahren ab, denn das bleibt in den Köpfen: „Es gefährlich, Fahrrad zu fahren, besonders ohne Helm!“ Oder, genauso fern der Realität: „Mit Helm auf dem Kopf wird schon nichts passieren.“

Helmkampagnen lenken vom Thema ab

Ich mag bei diesem Thema ja vielleicht empfindlich sein, aber ich fühle mich durch solche Appelle von solchen Veranstaltungen ausgeschlossen. Lautet die Aussage im Umkehrschluss doch eindeutig: „Für Personen, die keinen Helm tragen, ist die Teilnahme zu gefährlich! Wer keinen Helm trägt, ist unerwünscht oder soll zumindest ein schlechtes Gewissen haben!“ Ich möchte aber nicht öffentlich für Unfälle verantwortlich gemacht werden, für die ich nicht verantwortlich bin.

Es mag ja jede Person selbst entscheiden, ob sie einen Helm trägt oder nicht. Das ist hier überhaupt nicht die Frage. Ich will auch niemanden davon überzeugen, keinen Helm zu tragen. Hier geht es darum, was hinter solchen Kampagnen steht. Es gab diese Diskussionen über das Helmtragen schon vor Jahren auf der Bundesebene des ADFC. Es ging unter anderem darum, dass in der Vereinszeitschrift keine Fotos von Radfahrern ohne Helm mehr veröffentlicht werden sollten. Das Problem der falschen Moralapostel im ADFC damals: Es gab kaum brauchbare Alltagsbilder, die alle Radfahrer mit Helm zeigen. Deshalb sehen wir auf den Titelseiten fast nur noch gestellte Schönwetterfotos mit Helm. Die haben aber nichts mit der Realität zu tun. Meine Welt ist das nicht mehr.

Viel schlimmer ist die Situation aber im Bereich der Berichterstattung der Polizei nach Radverkehrsunfällen. Die Polizei verletzt mit Helmpropaganda ihre Neutralitätspflicht. Sie disqualifiziert sich in Fragen der Verkehrssicherheit als Instrument der Autolobby.

Helmpflicht statt sicherer Schulwege

Ähnlich sieht es im Bereich der schulischen Verkehrserziehung aus. Hier gibt es inzwischen praktisch eine Art Erlasslage, die entgegen der StVO eine Helmpflicht für schulische Veranstaltungen nahelegt. Obwohl sich die tatsächlichen Vorschriften und Erlasse hierzu eigentlich nur auf den Sportunterricht und entsprechende Veranstaltungen beziehen, werden sie für das ganze schulische Umfeld generalisiert. So ist bei der obligatorischen Fahrradprüfung inzwischen fast überall das Tragen eines Helms als Voraussetzung für die faktisch zwingende Teilnahme vorgeschrieben. Es gibt sogar eine ganze Reihe von Schulen, die versuchen, ihren Schülern das Helmtragen auf dem Schulweg vorzuschreiben oder sogar das Radfahren zu verbieten – hier nur ein Beispiel:

Häufig wird sogar suggeriert, dass die Schüler auch auf dem Schulweg sonst nicht über den Gemeindeunfallversicherungsverband versichert seien. Und die Polizei übt mit extra dafür geschulten und abgestellten Beamten weiterhin erheblichen Einfluss auf die schulische Mobilitätserziehung aus. Dabei sollte die klassische Regelerziehung oder die unter anderem von der Verkehrswacht immer noch propagierte Unterordnung unter die Interessen des Kfz-Verkehrs mit dem niedersächsischen Curriculum Mobilität eigentlich längst Geschichte sein. Aber Papier ist ja geduldig und die alten Seilschaften der Verkehrserziehung bestehen weiter.

Helmwerbung statt Verkehrssicherheit

Zu diesen Seilschaften gehört leider auch die Unfallforschung, die im Raum Hannover an die Medizinische Hochschule angegliedert ist. Doch mit Wissenschaft hat das nichts zu tun: Anstatt hier auftragsgemäß die Ursachen von Radverkehrsunfällen zu finden und zu beheben, wird auch von dieser Seite aus vor allem das Helmtragen propagiert. Dabei wäre es Aufgabe gerade dieser Institution, nach Mängeln in der Verkehrsinfrastruktur zu forschen und auf eine sichere Führung des Radverkehrs hinzuwirken. Aber dazu fehlt der Unfallforschung offenbar die Fachkompetenz: Ermittlungen finden gar nicht erst statt oder laufen ins Leere, und selbst nach tödlichen Unfällen bleibt die Infrastruktur meist unverändert. Anderenfalls würde sich die Unfallkommission, in der Verwaltung, Polizei und Unfallforschung zusammenkommen, ja auch gegebenenfalls selbst belasten. Der wohlfeile Verweis auf den Fahrradhelm ist deutlich bequemer. Man darf allerdings gespannt sein, welche Ausrede solche Fahrradhelm-Freunde parat haben werden, wenn dank ihrer Bemühungen eines Tages fast jeder Kopf einen Deckel hat und die Zahl der Toten und Verletzten trotzdem einfach nicht sinken will.

Critical Mass Hannover Marathon-Extra

Viele Straßen in Hannover sind schon am Vorabend des Marathonlaufs (hoffentlich) weitgehend frei von unbenutzten Blechkisten und warten darauf, in ungewohnter Schönheit entdeckt zu werden.

Einmal im Jahr, anlässlich des Hannover-Marathon, spielt sich in der Stadt ein wundersames Schauspiel ab: Ganze Straßenzüge werden von Autos befreit und es gibt mehr Platz, mehr Ruhe und bessere Luft für die Menschen. Das nutzen wir dazu, ausnahmsweise an einem Sonnabend durch die Stadt zu radeln und die vom geparkten Blech befreiten Straßen zu genießen! Der Treffpunkt ist am Neuen Rathaus, am Start und Ziel des Marathonlaufs. Wir müssen natürlich keinen ganzen Marathon radeln, sollten aber möglichst die blau markierten Abschnitte nutzen. Dort werden schon am Vorabend der Sportveranstaltung deutlich weniger Blechkisten herumstehen als sonst. Viel Spaß!

Treffpunkt: Trammplatz/Neues Rathaus, Samstag, 6. April, 19 Uhr

Nase an Nase: Auch Fahrradstraßen sind vor allem für Autos da

„LaSuze7“ hätte sich wohl auch einen Tag Urlaub genommen. Aber schon nach 40 Minuten stellte die Polizei die Machtverhältnisse klar. 

Der Radverkehr führt ein Schattendasein in Hannover. Wenn es die Anliegen der Radfahrer überhaupt mal in die Presse schaffen, dann meistens, wenn einer von ihnen wegen der gefährlichen Infrastruktur in einen Unfall verwickelt wird. Eine Ausnahme ist „LaSuze7“, so ihr Twittername. Die Critical-Mass-Teilnehmerin berichtet über ein typisches Erlebnis in einer der sogenannten Fahrradstraßen, das einen recht untypischen Verlauf nahm:

Wer täglich mit dem Rad zur Arbeit fährt und sonst auch wenig bis kein Auto fährt, erlebt einiges im Straßenverkehr, das Autofahrer eher nicht erleben. Das liegt vor allem an der Wahrnehmung des Verkehrs und der Umgebung: Im besten Fall ist es wunderschön, entspannend und glücklich machend, im schlimmsten Fall nervend, lebensbedrohend und wütend machend. Eins ist es aber immer: unmittelbar. Nichts schützt einen Radfahrer auf dem Rad. Wir werden nass, bekommen Sonnenbrand im Sommer, die Frisur, ach na ja, egal. Für mich überwiegen aber in Hannover bisher immer die positiven Seiten. Ich bin flexibel und schnell in der Stadtmitte, komme in weniger als 30 Minuten zum Sportplatz und zurück, Einkäufe erledige ich nebenbei. Es gibt die wundervolle Eilenriede, die eigentlich immer toll ist, egal ob im Herbst, Winter, Frühling, Sommer.

Ich will damit nur sagen, dass ich gerne Rad fahre und den öffentlichen Nahverkehr nur im Ausnahmefall nutze. Ein privates Auto habe ich schon seit mehr 14 Jahren nicht mehr. Ich habe mich bewusst dagegen entschieden, weil ich es in der Stadt schlicht nicht brauche. Ab und zu muss ich mal dienstlich oder privat Auto fahren, aber das ist vielleicht ein- oder zweimal im Jahr.

Wozu diese lange Einführung? Mir ist es wichtig zu sagen, dass man ohne Auto glücklich sein kann. Ich verdiene genug Geld, um mir eines zu kaufen, ich will aber nicht. Es ist tatsächlich möglich, ohne Auto gut zu leben. Früher hat mich das Mitleid meiner Kollegen und Freunde genervt (oh je, du Ärmste bei Regen/Frost/Glatteis/Hitze musstest du mit dem Rad fahren?), mittlerweile ist es mir egal. Ich fühle mich wohl auf dem Rad und bewege mich damit am liebsten.

Im Minutentakt auf Rechte verzichten

Was mir am 16. November 2018 auf dem Weg zur Arbeit passierte, ist für mich eine alltägliche Erfahrung. Ich bin mir nicht sicher, ob Leute, die ausschließlich Auto fahren, das nachempfinden können, was es bedeutet, jeden Tag im Minutentakt auf Rechte im Straßenverkehr verzichten zu müssen. Selbstverständlich sind es nicht ausschließlich Autofahrer, die mich zum Aufgeben zwingen, aber es ist doch die Mehrheit. Natürlich gibt es auch unachtsame Fußgänger oder andere Radfahrer. Der Unterschied ist, dass das Auto der Stärkere ist. Aber gut, im Verkehr geht es nur gemeinsam, das ist selbstverständlich. Ich erlebe jeden Tag die unterschiedlichsten Situationen, wie vermutlich viele andere Verkehrsteilnehmer auch. Üblicherweise arrangiert man sich und versucht die Situation einfach zu lösen. Ich verzichte auf meine Rechte, mache dem Bus Platz, weiche den rasenden SUVs vor Grundschulen aus. Ich bin nicht lebensmüde.

An diesem Freitag jedoch war die Situation in der KleefelderStraße für mich irgendwie anders. Ich glaube, ein Twitter-User sagte sinngemäß: Wenn man tausendmal ausweicht, ist das 1001. Mal halt Schluss. Das dürfte die Situation gut beschreiben. Der mir entgegenkommende Lkw -Fahrer zeigte nicht den Hauch eines Entgegenkommens in einer sehr engen Nebenstraße des Zooviertels: kein Zögern beim Einfahren in die Straße, kein Gesprächsangebot während des Wartens. Obwohl er ganz offensichtlich im Unrecht war – die parkenden Autos waren auf seiner Seite der Straße – standen wir uns lange gegenüber. Die drei Herren im Führerhaus saßen bei laufendem Motor und rauchten eine Zigarette nach der anderen. Ich bedeutete ihnen, rückwärts zu fahren und mir Platz zu machen. Irgendwann müssen sie die Polizei gerufen haben, denn nach 40 Minuten tauchte diese mit zwei Beamten auf. Selbstverständlich habe ich mir in der Wartezeit Gedanken darüber gemacht, was ich hier tue. Was mich das an zusätzlichen Überstunden kostet, was an Nerven. Aber ich habe dort nicht nachgeben wollen und bin nicht ausgewichen, wie ich es vorher schon hunderte Male getan hatte. Letztendlich wollte ich Hilfe durch die Polizei, die Belehrung des Autofahrers, die Durchsetzung meines Rechts in der Hoffnung, dass der Lkw-Fahrer bei der nächsten Begegnung rücksichtsvoller gegenüber Radfahrern ist. Denn zusätzlich zu dem Hindernis auf seiner Seite befanden wir uns ja noch in einer Fahrradstraße, wo Radler Vorrang haben und nicht behindert werden dürfen. Genau darum bat ich auch die Beamten nach ihrem Erscheinen.

Die Polizei unterstützt den Stärkeren

Was dann folgte, hat mich sehr überrascht und maßlos verärgert. Ein Beamter belehrte mich, dass ich absteigen und mein Fahrrad auf dem Gehweg schieben solle, damit der Lkw-Fahrer vorbeifahren könne. Meine Einwände zu Hindernis, Recht und Fahrradstraße akzeptierte er nicht. Im Gegenteil, er redete sich offensichtlich in Rage und ich musste mir einiges anhören, das er besser dem Lkw-Fahrer gesagt hätte:

  • Er könne es nicht fassen, dass ich so 40 Minuten den Verkehr blockieren würde.
  • Er würde alles tun, damit ich die Kosten des Einsatzes zahlen müsse.
  • Seine dreijährige Tochter hätte die Situation besser eingeschätzt als ich.

Die Frage, die ich mir hier stelle: Wieso hat der Polizist diese Punkte nicht dem Lkw-Fahrer um die Ohren gehauen, wieso war ich schuld, warum musste ich nachgeben? Man kann das beantworten wie man will, nur hat mich die fehlende Unterstützung der Polizei wirklich erschüttert. Letztendlich bedeutet das nicht nur, dass ich kein Recht bekam, sondern ist auch ein fatales Signal an den Lkw-Fahrer, beim nächsten Mal genauso rücksichtslos sein vermeintliches Recht (des Stärkeren) durchzusetzen. Die Polizei wird ihm im Zweifelsfall schon helfen!

Der Autofahrer sagte gegenüber der Polizei sinngemäß: „Ich habe viele Radfahrer gesehen, als ich in die Straße eingebogen bin. Aber das waren so viele, da hätte ich ewig warten müssen. Also bin ich in die Straße eingefahren.“

In meiner Anwesenheit wurde der Autofahrer von den Polizisten weder verwarnt noch belehrt. Das ist nach meiner Meinung das absolut falsche Signal, denn gerade für Fahrradfahrer kann es sogar lebensgefährlich sein. Denn wenn er oder sie sich darauf verlässt, dass der Andere sich auch an die Regeln hält, dann gilt hier nur noch das Recht des Stärkeren. Mit allen fatalen Folgen in der Zukunft.

Staatlich legitimierte Rücksichtslosigkeit

Es ist nicht verwunderlich, dass wir alle eine zunehmende Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr spüren. Wenn sie aber staatlich legitimiert wird, wird sich die Gesamtsituation für schwache Teilnehmer nicht verbessern. Das gilt insbesondere für die Situation in Fahrradstraßen wie der Kleefelder Straße. Wenn Radfahrer entgegen der StVO dort nicht nur keinen Vorrang haben, sondern auch behindert werden dürfen, dann braucht man solche Straßen gar nicht erst einzurichten. Sie verfehlen ganz einfach ihren Zweck, denn sie schützen Radfahrer nicht, sie sind schlichtweg sinnlos.

Dass meine Aktion so ein gewaltiges Echo bei Twitter und später in den Printmedien und im Radio fand, hat mich doch überrascht. Schließlich berichte ich schon länger über meine Erlebnisse im Fahrradalltag, aber hier scheine ich einen Nerv getroffen zu haben. Mich haben die vielen positiven Beiträge zum Thema, die Unterstützungsangebote und klugen Kommentare sehr berührt und ich bin sehr dankbar dafür! Neu war für mich der direkte Kontakt zu Trollen und Radfahrerhassern. Die versuche ich auszublenden, denn eine konstruktive Diskussion scheint mir nur schwer möglich, auf Twitter sogar ganz unmöglich. Ich hoffe, mit diesem Blogbeitrag ein paar der Fragen um meine Motivation und den Ablauf der Ereignisse beantwortet zu haben.


Radverkehr? In Hannover unerwünscht!

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Drängelgitter und das Schild „Radfahrer absteigen“ sollen die unsichere Radverkehrsführung über den Messeschnellweg entschärfen. (Foto: HC)

Von wegen Lust auf Fahrrad! Entgegen wohlklingenden Ankündigungen erschwert die Stadt Hannover das Radfahren entlang wichtiger Grünverbindungen systematisch. Jüngstes Beispiel: zwei steile Brücken über den Messeschnellweg. Critical-Mass-Teilnehmer Gunter hält nicht nur die Drängelgitter und die Beschilderung für völlig unakzeptabel, sondern auch die Brücken selbst:

Die Brücken über den Messeschnellweg entsprechen nicht den technischen Anforderungen an Radverkehrsanlagen. Unfallopfer könnten die Stadt also aufgrund einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Regress nehmen. Falsch ist jedoch die Konsequenz! Die Bauwerke sind den Bedürfnissen des Radverkehrs anzupassen, anstatt – wie hier ausdrücklich beabsichtigt – für den Radverkehr gesperrt zu werden. Die Kosten für die Erneuerung der Brückenbauwerke sind dem Kfz-Verkehr anzulasten. Die trennende und zerschneidende Wirkung der Schnellwege ist hier im innerörtlichen Bereich für den Radverkehr nicht akzeptabel. Es ist eigentlich nicht einmal akzeptabel, dass Radfahrer für eine Querung überhaupt solche Steigungen überwinden müssen.

Wirkungsloses Zusatzzeichen „Radfahrer absteigen“

Völlig unakzeptabel ist auch das Zusatzzeichen „Radfahrer absteigen“. Von ihm allein geht keinerlei Rechtswirkung aus. Meiner Meinung nach ist es hier nicht nur in rechtswidriger Weise angeordnet worden, sondern sogar nichtig. Auf jeden Fall verfehlt es den von der Stadt Hannover ausdrücklich benannten Schutzzweck!

Zumindest fragwürdig ist die Haltung des ADFC. Es kann nicht sein, dass Radfahrer selbst entscheiden sollen, ob die Nutzung einer Radverkehrsanlage für sie zu gefährlich ist. Es ist obliegt schlicht der Fürsorgepflicht der Behörden, stets eine sichere Nutzung der Radwege zu gewährleisten. Zur Verkehrssicherungspflicht der Stadt gibt es keine Alternative!

Im Zweifel muss der Schnellweg weg

Im Zweifelsfall gilt – wie in der Rechtsprechung üblich – das Verursacherprinzip: Nicht die Brücke muss gesperrt werden, sondern der Schnellweg muss weg! Wem das zu radikal erscheint, sollte überlegen, ob er oder sie sich nicht schon mit dem allgegenwärtigen Diktat der Lebensverhältnisse durch den Kfz-Verkehr abgefunden hat. Ich fahre übrigens selbst aus beruflichen Gründen Auto und sogar schwere Nutzfahrzeuge. Auch als Autofahrer habe ich ein Interesse an einer guten Infrastruktur für den Radverkehr, damit ich die Schnellstraßen weiter auf legale Weise nutzen kann.

Mit Bettelampeln gegen den Radverkehr

Bettelampel-Aufkleber-Ausschnitt
Bettelampel-Aufkleber des ADFC Hamburg (Ausschnitt)

Seit ausgerechnet ein Polizeifahrzeug eine Radfahrer-Bettelampel am Aegi beschädigt hat, sind diese besonders berüchtigten Bausteine hannoverscher Verkehrspolitik mal wieder im Gespräch. Auch Critical-Mass-Teilnehmer Gunter hat eine Meinung dazu:

Ich halte die sogenannten „Bettelampeln“, die nur auf Knopfdruck Grün zeigen, für grundsätzlich unzulässig. Nach etwas überraschenden Aussagen der Stadt Hannover realisieren sie eine „Vorrangschaltung“ für den Radverkehr (hört, hört!), damit dieser also schneller Grün bekommt. Dass das so nicht stimmen kann, sieht man unter anderem am Aegi. Aber auch davon unabhängig entsprechen solche Bettelampeln überhaupt nicht den Anforderungen einer sicheren Radverkehrsführung. Sie sind weder sicher zu bedienen noch gut erreichbar, insbesondere für die Nutzer spezieller Fahrräder wie Liege- oder Lastenräder oder wenn andere Radfahrer oder Fußgänger im Weg stehen.

Bettelampeln sind ein Mittel für die Unterordnung des Radverkehrs. Radfahrer müssen ihr „Grün“ gegenüber dem Kfz-Verkehr erst einmal manuell anfordern. So etwas würde die Stadt den Autofahrern niemals zumuten und wenn doch, würde es eine Welle der Empörung auslösen. Auch für den Radverkehr haben diese Ampeln zu verschwinden! Es hilft auch nicht, sie mit einer direkten Querung des Aegi oder anderer Kreuzungen zu rechtfertigen. Die wäre ja auch ohne Bettelampel denkbar.

Gnadenlos Kfz-optimiert

Gerade der Aegi ist nicht nur aufgrund der Bettelampeln ein Symbol dafür, dass die großen Kreuzungen in Hannover gnadenlos auf möglichst großen Kfz-Durchsatz hin optimiert sind und dass für den Radverkehr nur provisorisch anmutende Alibi-Maßnahmen übrig bleiben. Wer wirklich eine Verkehrswende will, muss auch den Mut haben, den Aegi komplett zum Vorteil des Fuß- und Radverkehrs umzubauen.

Aktionswoche gegen den Radverkehr

radfahrverbot-crop

Erwartungsgemäß fanden auch im Rahmen der zweiten Radfahrkontrollwoche 2018 (von der Polizei Hannover inzwischen umbenannt in „Fahrradsicherheitswoche“) vor allem Maßnahmen gegen Radfahrer in Hannover statt. (Update: 2019 heißt sie „Radfahraktionswoche“.) Entgegen wohlklingenden Ankündigungen wurden kaum Verstöße gegenüber Radfahrern geahndet. CM-Teilnehmer Gunter hat dazu folgende Anmerkungen:

Obwohl Verstöße wie das Zuparken von Radwegen, Vorfahrtmissachtungen durch rechtsabbiegende Kraftfahrer und das Überholen von Radfahrern ohne ausreichenden Seitenabstand Massendelikte sind, werden sie nur extrem selten geahndet. Solch ein Verhalten wird weiterhin als Selbstverständlichkeit toleriert. Dabei hätte sich die Polizei eigentlich nur mal verdeckt an eine der typischen Kreuzungen stellen müssen.

Kraftfahrer zu gefährdendem Verhalten erzogen

Obwohl eigentlich nicht mehr zulässig, gibt es in Hannover (etwa in der Vahrenwalder Straße) auch noch zahlreiche sogenannte „freie Rechtsabbieger“ ohne Ampel, bei denen der Radverkehr dem rechtsbiegenden Kraftverkehr mittels Beschilderung untergeordnet wird. Das erzieht Autofahrer geradezu zur Vorfahrtmissachtung. Nach meiner Kenntnis wurde kein einziger Fall des Überholens von Radfahrern ohne ausreichenden Seitenabstand geahndet. Die Polizei in Hannover verfügt ja noch nicht einmal über die technische Ausrüstung, eine Unterschreitung des notwendigen Sicherheitsabstandes gerichtsfest zu dokumentieren. Dabei führt gerade das Überholen von Radfahrern ohne ausreichenden Seitenabstand immer wieder auch zu schweren Unfällen.

Schutzstreifen provozieren enges Überholen

In der offiziellen Statistik tauchen Überholfehler aber als Unfallursache faktisch nicht auf. Es ist den aufnehmenden Polizeibeamten nicht einmal als Delikt bewusst. Zu schmale Schutzstreifen und Radfahrstreifen vermitteln den Kraftfahrern auch hier den Eindruck, dass ihr Fehlverhalten zulässig sei. Radfahrer werden absichtlich an den Rand gedrängt, um den Kraftfahrern ein Überholen bei möglichst hohem Tempo zu ermöglichen.

Anstatt endlich die Vergehen der Autofahrer angemessen zu ahnden, erweckt die Polizei mit den üblichen Vorwürfen mal wieder den Eindruck, als würden sich Radfahrer nicht an Verkehrsregeln halten, als seien sie Verkehrsrüpel und damit selbst an Unfällen schuld. Das ist und war wohl das eigentliche Ziel der Polizeiaktion.

Die Polizei entzieht sich ihrer Verantwortung

Die von den Beamten aufgelisteten Vergehen der Radfahrer verdeutlichen schnell, dass die Polizei Verhaltensweisen ahndet, die sie selbst zu einem großen Anteil selbst provoziert und für die sie zumindest mitverantwortlich ist: Die Polizei ist an jeder verkehrsbehördlichen Anordnung beteiligt, also beispielsweise dem Aufstellen eines Verkehrszeichens, und auch ausdrücklich verpflichtet, die Radwege laufend auf ihren Zustand und ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Im Hinblick auf verkehrsbehördliche Anordnungen gegen den Radverkehr agiert aber ausgerechnet die Polizei oft außerhalb von Recht und Ordnung. Ich lasse mich ungern von einer Polizei kontrollieren, die der Verkehrssicherheit derart entgegensteht und die einseitig die Interessen der Kraftfahrer vertritt und schützt.

Im Rahmen ihrer Aktionswoche gegen den Radverkehr hat die Polizei wie gewohnt vor allem die Benutzung nicht für den Radverkehr freigegeber Gehwege, Fußgängerzonen und so weiter beanstandet. Dabei sind noch immer viele Gehwege in eindeutig rechtswidriger Weise sogar als benutzungspflichtige Geh- und Radwege ausgewiesen. Diese Wege erfüllen in Hannover meistens noch nicht einmal die für eine bloße Freigabe notwendigen Sicherheitskriterien. Die Polizei erzieht Radfahrer also durch das Billigen solcher Anordnungen geradezu zur Nutzung von Bereichen, die Fußgängern vorbehalten bleiben sollten.

Radfahrer zwischen Falschparkern und Fahrbahnrasern

Oft erhalten Radfahrer auch keine sichere Orientierung, wo sie fahren dürfen oder eben auch nicht. Häufig weichen sie auf den Gehweg aus, weil Radwege zugeparkt sind oder auf der Fahrbahn ein völlig ungezügelter Kraftverkehr herrscht. Gleiches gilt für das Fahren auf der falschen Fahrbahnseite.

Obwohl linksseitige Radwege seit Jahrzehnten eigentlich grundsätzlich nicht mehr zulässig sind und eine Benutzungspflicht innerörtlich laut VwV-StVO sogar explizit ausgeschlossen ist, werden Radfahrer weiterhin sogar auf meist auch noch zu schmale linke Radwege gezwungen und so schlicht von klein auf zu „Falschfahrern“ erzogen.

Abzocke an widerrechtlich betriebenen Ampeln

Als dritten Schwerpunkt ihrer Aktion hat die Polizei Rotlichtverstöße von Radfahrern ausgemacht. Dabei ist zu bedenken, dass ein großer Teil der Ampeln in Hannover weder den rechtlichen Anforderungen entspricht noch den Radverkehr sicher führt. Mindestens die Hälfte der Bußgeldbescheide wegen Rotlichtverstoßes dürfte einer genauen rechtlichen Prüfung nicht standhalten.

Radfahrer dienen als Sündenböcke

Polizei und Verwaltung in Hannover provozieren selbst Verkehrsverstöße von Radfahrern. Nicht selten werden Radfahrer auf der Grundlage eindeutig rechtswidriger verkehrsbehördlicher Anordnungen abkassiert! Wer das nicht hinnehmen will, dem bleibt in Hannover leider nur die gerichtliche Klärung.

Critical Mass Hannover – Mobil ohne Auto

Alljährlich am dritten Sonntag im Juni findet deutschlandweit die verkehrspolitische Aktion „Mobil ohne Auto“ (MoA) statt – ein schöner Anlass für eine Sonntags-Radtour! Sonntag, 17. Juni, 17 Uhr, ausnahmsweise ab Opernplatz. In Russland werden ein paar Männer Fußball spielen, daher ist tatsächlich mit besonders wenig Autoverkehr zu rechnen! Hier gibt’s weitere Informationen zu MoA: http://www.kleiner-kalender.de/event/mobil-ohne-auto/87650.html

Radfahrkontrollwoche: Polizei lenkt von ihrer Mitverantwortung ab

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Radverkehr in Hannover (Symbolbild)

Mit der bald endenden Radfahrkontrollwoche möchte die Polizei Hannover angeblich etwas gegen die beängstigenden Unfallzahlen im hiesigen Radverkehr unternehmen. Das wird wohl ebenso misslingen wie das vor einem Vierteljahr groß angekündigte Beseitigen von Gefahren wie Falschparkern. Ein Kommentar von Gunter: 

Radverkehrsunfälle nehmen laut Polizeistatistiken stark zu. Zudem liegt deren Zahl in Hannover im Vergleich zu ähnlich großen Städten ganz weit vorne. Da muss die Polizei natürlich reagieren. Ihr daraus abgeleitetes Sicherheitskonzept ist jedoch – vorsichtig ausgedrückt – ziemlich schlichter Natur. Es folgt der jahrzehntealten Strategie, mit haltlosen Pauschalbehauptungen und Radfahrkontrollen einfach die Opfer selbst für die Unfälle verantwortlich zu machen.

Die Polizei findet immer etwas und schreibt so auch ihre Unfallberichte: Die Radfahrer drängten sich „plötzlich in den Verkehr“, seien dunkel gekleidet, schützten sich nicht mit Helmen und hielten sich vor allem nicht an die Regeln. Deshalb wird völlig unabhängig von den tatsächlichen Unfallursachen das kontrolliert, was halt so bei Radfahrern an Regeleinhaltung kontrolliert werden kann: Beleuchtung, Handynutzung, Rotlichtverstöße, fahren auf der falschen Seite oder auf nicht freigegebenen Gehwegen und so weiter.

Täter-Opfer-Umkehr

Was soll die Polizei denn auch sonst tun? Soll sie etwa einräumen, dass sie Verstöße gegenüber Radfahrern wie ein Zuparken von Radverkehrsanlagen und Vorfahrtsmissachtungen abbiegender Kraftfahrer in aller Regel toleriert? Oder dass sie ein Überholen mit zu wenig Seitenabstand gar nicht ahnden könnte, weil ihr die dafür notwendige technische Ausrüstung fehlt? Sollen Polizisten etwa ihr sicheres Fahrzeug verlassen und sich völlig ungeschützt an eine große Kreuzung stellen? Wäre das bei der Verkehrssituation und der schlechten Luft überhaupt mit den Arbeitsschutzvorschriften vereinbar? Oder sollten die Beamten sogar routinemäßig das Fahrrad zur Verkehrsüberwachung nutzen? Also nein, das wäre doch wohl viel zu gefährlich!

Da wird doch die Unfallschuld lieber weiterhin den Opfern zugeschoben. Dabei erfasst die Polizei nach allen wirklich wissenschaftlichen Untersuchungen nicht einmal zehn Prozent der Radverkehrsunfälle mit Personenschäden. Die Angaben der Polizei zur Unfallschuld decken sich natürlich mit der Perspektive von Autofahrern, aber oft nicht mit den Ergebnissen von Gerichtsprozessen, die die Schuldfrage meist genauer beleuchten. Trotzdem sind Radfahrer sogar nach den offiziellen Zahlen der Polizei meist nicht selbst an den Unfällen schuld. Und dennoch versucht die Polizei genau dieses Bild zu erzeugen.

Benutzungspflicht statt sicherer Radwege

Mängel in der Verkehrsinfrastruktur werden dagegen selbst im Rahmen der nach schweren Radverkehrsunfällen obligatorischen Unfallkommission meist nicht erhoben. Dabei sind laut wissenschaftlichen Untersuchungen ungefähr die Hälfte aller Radverkehrsunfälle mit Personenschäden Alleinunfälle – oft infolge einer mangelhaften Infrastruktur. Außerdem ist die Polizei ja an jeder verkehrsbehördlichen Anordnung beteiligt, an jedem Aufstellen eines Verkehrszeichens. Soll die Polizei etwa einräumen, für so viele Unfälle zumindest mitverantwortlich zu sein?

Ferner gehört es laut der verbindlichen Verwaltungsvorschrift der StVO zu den elementaren Aufgaben auch der Polizei, die Radverkehrsanlagen nicht nur bei den eigentlich alle zwei Jahre stattfindenden Verkehrsschauen, sondern bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf ihren Zustand und ihre Zweckmäßigkeit hin zu überwachen.

Wo bleibt die Fahrradstaffel?

Dazu müsste die Polizei aber auch mal die Perspektive der Radfahrer einnehmen. Dann wäre es natürlich superpeinlich feststellen zu müssen, dass zum Beispiel die Ampelschaltungen für den Radverkehr selten den rechtlichen Vorgaben entsprechen und die meisten Radverkehrsanlagen nicht den Sicherheitsvorschriften genügen, aber meist trotzdem rechtswidrig als benutzungspflichtig ausgewiesen sind. Überdies erziehen Polizei und Verwaltung die Radfahrer durch die in der Regel rechtswidrige Ausweisung benutzungspflichtiger linker Radverkehrsanlagen oder gemeinsamer Geh- und Radwege selbst zu „Falschfahrern“.

Unter solchen Voraussetzungen bedeutet eine „Radfahrkontrollwoche“: Die Radfahrer stehen am Pranger und Polizei und Verwaltung lenken vom Versagen der eigenen Organisationen ebenso ab wie von den Folgen einer ungezügelten Kfz-Nutzung. Die Akteure schaffen eine Rechtfertigungsgrundlage für Übergriffe gegen Radfahrer – mit freundlicher Unterstützung der Boulevardpresse, die parallel dazu von der „Razzia gegen Radler-Rüpel“ berichtet.